Francesco Morlacchi (1784-1841):
Sappho in Leucade / Sappho the Poetess at the Leucadian Cliff
Entstehungszeit: | 1809 |
Uraufführung: | Frühling 1809 in Mailand (Teatro alla Scala) |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Spieldauer: | ca. 20 Minuten |
Art: | Scena lirica per musica |
Text: | Giuseppe Alborghetti |
Sprache: | italienisch |
Die Dichterin Sappho klagt um ihre verlorene Liebe zu einem schönen Jüngling. Möglicherweise hatte sie einen Schwur getan, sich dem männlichen Geschlecht fernzuhalten, und diesen nicht eingehalten. Apollo gibt sich nun beleidigt und sanktioniert die Missachtung seiner Erhabenheit mit drakonischer Härte. Möglicherweise hatte er auch selbst ein erotisches Interesse an dem schönen Mädchen und ist abgeblitzt. Als Inschrift am Tor eines Tempels leuchtet sein Orakel, welches bestimmt, dass die Flamme der Liebe, welche die Tochter aus Lesbos umschließt, in den Wogen des Leukadischen Meeres erlöschen soll.
Es gibt eine Regieanweisung für die Gestaltung eines Hintergrundprospekts, damit einer szenischen Aufführung vorgebaut werden kann. Abendstimmung herrscht und der Mond geht gerade auf. Gegen die ionische Insel Lefkas brandet das Meer. Der Librettist spricht von weißen Marmortempeln, die das Steilufer schmücken. Einige sind intakt, andere verfallen. Der schönste Tempel sei derjenige, welcher dem Deucalion geweiht ist. Dieser war ein Sohn des Prometheus und wird mit einer großen Sturmflut, die er gesundheitlich gut überstand, in Verbindung gebracht und ist damit dem Noah der Bibel oder dem Utnapishtim des Gilgamesch-Epos nicht unähnlich.
Sappho ist soeben eingetroffen, eröffnet das Konzertprogramm und beginnt mit ihrem Lamento: Hier sei der Tempel, den sie ersehnte und der das Ende ihrer Seufzer bedeute. Ihr Leben und ihre Liebe wird sie hier verlassen. Die heiligen Priester sind auserwählt, ihre Hymne und ihre Gebete wohlwollend zu unterstützen. Der verwundete Gott soll einen Blick von oben herab werfen. Vor dem Altar kniet in demütiger Haltung das verwundete Herz einer unglücklich Liebenden.
„O purer Lichtstrahl,
scheinend und glitzernd!
Das Herz antwortet dir
mit seinen Schlägen.
Ich fühle die eisigen Tränen,
Töchter der Liebe...“
Durchnässt seien die verwundeten Augen von den geliebten Seufzern in der Erinnerung an den Liebsten. Diese sind erforderlich, um die Seele zu trösten. Selbst wenn ob ihrer Missetat die Erde ein bisschen Donner erschüttert, ängstigt sie das nicht. Die Tempel seien ohnehin durch die Unaufmerksamkeit pietätloser Menschen ruiniert, was sie bedauerlich findet.
Der Chor mahnt zur Stille und verweist - wie obenstehend erwähnt - auf die Inschrift an der Tempeltür. Sappho kommentiert:
„Das fatale Dekret!
Der göttliche Mund
sprach diese Prophezeiung.
Ich bin geeilt,
um dem göttlichen Willen zu gehorchen.
Mutig und loyal werde ich gehen.
Ah, ich bin nicht tapfer genug
für diesen extremen Moment,
denn mich verlässt die Courage.
Ich erbleiche und erschauere.
Nicht länger ist der Himmel huldvoll,
nicht Trost zu meinem Herzen.
So riesengroß ist mein Kummer,
dass ich keine Tränen mehr vergießen kann.“
Sappho bittet nun die gerechten Götter, auf ihre Liebe zu schauen. Ihre Seele sei jetzt bereit, zu sterben. Die Wogen des Meeres haben schon die Plage vieler Herzen zum Stillstand gebracht. Sie verlässt sich darauf, dass im Jenseits neue Glut ihr Herz füllen wird. Ihr Schicksal tritt sie nun an und sie habe keine Furcht.
Der Chor ist von Sapphos Klage erschüttert. Es kann auf dieser Welt kein Herz geben, welches noch tapferer ist als das von Sappho, bestätigt er. Das ausgesprochene Lob bewegt diese, in ihrer Klage fortzufahren. Ihre Gedanken richten sich an den Geliebten. Er war die schöne Aussicht und die süße Hoffnung ihres Herzens. Doch das Schicksal war hart zu ihr. Ihn zu verlassen, sei ihr untröstlicher Kummer. Nun muss sie gehen. Sie rechnet aber damit, dass das Herz nun endlich Befreiung finden wird.
Erneut schaltet sich der Chor ein und verweist auf Sapphos Entschlossenheit. Wirklich, sie sei ein Muster von Mut und Tapferkeit.
Der Geliebte soll jetzt aus ihren Gedanken verschwinden, die Erinnerung an seine Gegenwart sei viel schlimmer als der Tod. Ihr Herz kann sie nicht mehr kontrollieren und Kummer drücke sie nieder. Die süße Hoffnung ihres Herzens soll jetzt endlich entfliehen. Das Schicksal gehe wirklich zu hart mit ihr um. Noch einmal betont sie, dass es ihr untröstlicher Schmerz sei, ihn zu verlassen.
Die nachdrückliche Huldigung durch den Chor erweicht das Herz Apollos und veranlasst den Gott, Sappho als zehnte Muse den vorhandenen hinzufügen. In der Tat, Sappho habe sich um die Dichtkunst verdient gemacht! Auf einem Transparent wird ihr die Ehrung verkündet und dem Publikum sichtbar gemacht. Nun bekommt die dermaßen Geehrte auf dem Parnass eine ewige Wohnung zugewiesen.
Letzte Änderung am 11.1.2010
Beitrag von Engelbert Hellen